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CHURCH OF FEAR'S »3. Int. Pfahlsitzen« in Frankfurt a.M.
Frankfurt-Pressespiegel

Das Horn des Teufels

Kollision an der Hauptwache.
Von Jörg van der Horst (COF)

Nach zahlreichen Höhepunkten im Verlauf des Pfahlsitzwettbewerbes der Church of Fear, der seit Montagmorgen an der Frankfurter Hauptwache stattfindet, ist die Situation am Donnerstagabend erstmals eskaliert.

Gegen 19.30 Uhr trat ein Mann an das Rednerpult vor den sieben Pfählen, auf denen sieben Arbeits-, Obdach- und Hoffnungslose ihre Ängste de-monstrieren. Ausrichter und Kirchenmitglied Christoph Schlingensief erteilte ihm das Wort, von dem er fortan nicht mehr abließ. "Ich bin die Seele Gottes und verfluche im Namen Jesu diese Götzenveranstaltung!", schrie der Mann, den Augen- und Ohrenzeugen auf Mitte 40 Jahre schätzten. Er hatte bereits am Wochenende während des sog. "Abendmahls" im Bocken-heimer Depot Morddrohungen gegen mehrere Mitglieder der Church of Fear ausgesprochen.

Schon auf dem Weg zum Pult hatte er zwei Passanten tätlich angegriffen. Während seines nicht enden wollenden Vortrags über "das nahende Ende aller Zeiten" brachte der Mann zunächst die zahlreichen Zuhörer gegen sich auf. Als Schlingensief ihn nach mehr als zwanzig Minuten bat, das Mikrofon an weitere Diskutanten abzugeben, drohte er diesem mit einer mit sich geführten Schalmei Gewalt an und setzte anschließend seine schier endlose Brandrede fort.

Ein alkoholisierter Banker nutzte die aufgeheizte Stimmung für den Ver-such, einen der sieben Pfähle umzustürzen. Er konnte von einem Sicher-heitsbediensteten daran gehindert werden. Der "fundamentale Christ" mit Schalmei fuhr unbeeindruckt fort. In sehr kurzen Sprechpausen blies er in sein Horn, das er anschließend sogleich wieder als Waffe gegen empörte Zuhörer einsetzte, die dem offenbar verwirrten Mann das Wort abzu-schneiden suchten.

Mitarbeiter des Ordnungsamtes, die wegen einer geringfügigen Über-schreitung der behördlich genehmigten Lautstärke ebenfalls vor Ort waren, schritten während der gesamten Zeit nicht in das Geschehen ein. Eine letzte Bitte Schlingensiefs, den Losverkauf zugunsten der hilfebedürftigen Pfahlsitzer nicht länger zu behindern, bezahlte dieser mit einem unsanften Rempler seitens des Predigers. Schlingensief stürzte, wurde jedoch von Zuschauern aufgefangen, die daraufhin nochmal wütend gegen den Mann mit Schalmei vorgingen. COF-Präsidentin Eva Zander rief die aufgebrachte Menge zur Besonnenheit auf. Als sich die "bekennende Atheistin" auf ein Wortgefecht mit dem Amokredner einließ, wurde auch sie leicht verletzt und vom Unbekannten des "maßlosen Satanismus" bezichtigt.

Auf Unmutsäußerungen und Beschwichtigungsversuche von Passanten reagierte der Mann mit höhnischem Gelächter. Wild um sich schlagend verweigerte er die Abgabe des Mikrofons. "An diesem Ort wird die Welt untergehen und ihr Ungläubigen werdet Zeugen meiner Himmelfahrt wer-den", stellte er ein Ende seines Auftritts zumindest vage in Aussicht. Zum Schluss entwickelte sich ein Handgemenge, in das zu Spitzenzeiten bis zu 20 Personen verwickelt waren. Auch die bis dato friedfertigen Punks, die ihren Favoriten auf Pfahl Nr. 4 unterstützten, mischten sich in die Ausein-andersetzung ein. Das schauspielfrankfurt, Mitveranstalter des Pfahlsitz-wettbewerbes, der am Samstag um 14 Uhr endet, verwies den Mann kurz darauf des Platzes. "Es war wie ein Terrorangriff", sagte Schlingensief anschließend, "gleichzeitig war es jener authentische Moment, auf den Theater seit tausenden von Jahren wartet". Erst gegen 21 Uhr war die Situation wieder vollständig unter Kontrolle.

Text: Frankfurter Rundschau vom 19.09.2003