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             Die auf dieser 
              Seite veröffentlichten Texte stammen von »Heiligen der 
              Angst«. Sie haben sich direkt nach Gründung der Church 
              of Fear aufgemacht, die Botschaft der Angst zu verkünden und 
              sind dabei nicht selten mit jener Amtskirche, aus der sie stammen, 
              in Konflikt geraten. Unser besonderer Dank gilt ihrem unermüdlichem 
              Einsatz. Die Seite wird kontinuierlich aufgefüllt. 
            Bitte informieren 
              Sie sich über die Texte der Heiligen! 
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            Predigten
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             Wenn auch Sie 
              Ihren Text hier veröffentlichen wollen, 
              dann mailen Sie bitte an: 
              holy@church-of-fear.net 
               
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            Pater Thadeus 
              »Hat Multikultur in D eine Chance?«, Fulda.....hier 
               
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            Pater Peter 
              »Kirche der Angst vs. Angstpolitik«, Berlin.....hier 
               
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             Bruder Christof 
              »In die Hirnrinde geritzt...«, Lüderitz.....hier 
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             In englisch: 
              Father Karl »Permission to Bleed«, Vienna.....hier 
               
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             Bruder Sören 
              »Tagebuch der Angst«, Eintrag 17.6.2003.....hier 
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             Bruder Klaus 
              »Liebe Freunde!«, Bad Kleister.....hier 
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             Bruder Georg 
              »Die Blume der Furcht« (Skript der Predigt, die 
              Bruder Georg am 27. März 2003 vor Mitgliedern der Gemeinde 
              Berlin gehalten hat).....hier 
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             Pater Peter 
              »18 % x 1ooo m = Angst«, Diözese Berlin.....hier 
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             Bruder Ernst 
              »ANGST als CHANCE«, Karlsruhe.....hier 
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             Dr. Hugo Ball 
              »Anleitung zum stylitischen Leben«, München.....hier 
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             Pater 
              Thadeus, Fulda, zur Frage »Hat Multikultur in Deutschland 
              eine Chance?«
             Gefragt wurden 10 Personen des öffentlichen Lebens, unter 
              ihnen Guido Westerwelle, Xavier Naidoo und Ronald Schill.  
              Den vollständigen Antwortenkatalog lesen Sie in "Die Sakristei", 
              Nr. 8/2003, S. 11-16 (alle Angaben gem. Pater Thadeus). 
            Meine Einsicht, Erkenntnis, Erleuchtung etc. lautet: Deutschland 
              braucht Ausländer ! "Ausländer rein". Kultur 
              x Kulturen = Multikultur, die ist dringend nötig ! Deutschland 
              kommt mit seinen Inländern einfach nicht mehr klar. Deutschland 
              ist Intensivstation, auf der sich Patient an Patient reiht; ein 
              Land als Nervenanstalt, in der selbige blank liegen. Krankheitserreger 
              stören sich doch nicht an Gesundheitsreformen. Oder glauben 
              Sie etwa den politischen Betroffenheitsmienen, wenn mal wieder ein 
              Asylantenheim brennt? Da wird die schnellste Kranzniederlegung per 
              Zielfoto ermittelt. Erst letzte Woche eröffnete Edmund Stoiber 
              ein Institut für Xenophobie in Schweinfurt. Der Teufel steckt 
              im Detail - und in Baden-Württemberg: ein Institut gegen Xenophobie 
              wäre besser gewesen. Wer also soll hier noch Aufsicht führen? 
              Wer legt Transfusionen, nimmt Not-OP´s vor? Die Ausländerbeauftragte 
              der Bundesregierung hat sich gestern mit einem illegalen Transport 
              abgelehnter Asylbewerber nach Rumänien abgesetzt. Die wollte 
              weg, nur noch weg. Horst Mahler wollte nach Auschwitz - und mußte 
              hier bleiben, mit Inländerfreunden gegen ausgestellte Wehrmächte 
              demonstrieren. Es flüchten immer die Falschen
 
            Wenn Sie, sehr verehrte Ausländer, bereits den Mumm aufgebracht 
              haben, hierher zu kommen, dann gehen Sie bitte noch einen Schritt 
              weiter. Helfen Sie ! Bitte, helfen Sie ! Kümmern Sie sich um 
              uns ! Wer sich gegen seine innere Stimme, gegen seine begründete 
              Angst für die Intensivstation entschieden hat, verspürt 
              jetzt bestimmt einen enormen Energieschub. Aufladung durch Entladung. 
              Sie haben sich endlich mal durchgesetzt - gegen die Orakelsprüche 
              der vom Volk gewählten Volksfeinde, gegen die Panikpatente 
              der Medienkonstrukteure. Sie haben sich gegen die staatlichen Angstverwalter, 
              Sie haben sich auch gegen SICH SELBST durchgesetzt. Ab sofort stehen 
              Sie in der deutschen Wirklichkeit, die ähnlich stabil ist wie 
              ein Kartenhaus. Herzlich Willkommen ! 
            Eigentlich ist es eine bodenlose Unverschämtheit, Ihnen unter 
              diesen Umständen noch Auflagen zu machen, aber die Made in 
              Germany frißt sich fett und treibt uns unvermeidlich zu dieser 
              Dreistigkeit: Bringen Sie also nach Möglichkeit Mut mit, Durchsetzungsvermögen 
              und Wille zur Veränderung vielleicht ! Verändern Sie uns, 
              bevor Deutschland Sie verändert ! Was glauben Sie, wo Sie hier 
              sind? 
Aufladegeräte wären prima, irgendeine ähnliche 
              Apparatur, die Energie speichert
 Auf der Intensivstation mangelt 
              es am nötigsten: Blutkonserven, ausgeschlafenen Ärzten, 
              frischem Bettzeug. Deutschland braucht Frische ! Es mangelt an Perspektive. 
              Wir werden Ihnen unsere nicht aufzwingen, versprochen. SIE SIND 
              UNSERE PERSPEKTIVE ! Mehr Werbung für Deutschland ist hier 
              einfach nicht drin
Wir können Ihnen nicht helfen und beten 
              gerade deshalb, daß Sie sich zu uns durchschlagen. 
            Gewissermaßen als Willkommensgruß oder um Sie mit unseren 
              Sicherungsvorkehrungen vertraut zu machen, möchte ich Sie auf 
              eine Selbstbewußtseinsmaschine aufmerksam machen, an die auch 
              Sie sich anschließen können - die SIE SELBST sind ! Die 
              Church of Fear steht im Dienste der "Heiligen, die auf Erden 
              sind, und für die Verklärten, an denen wir Gefallen haben" 
              (Psalm 16). Folgen Sie nach Grenzübertritt der CHURCH of FEAR 
              ! Gehen Sie direkt dorthin ! Gehen Sie nicht über "LOS, 
              Sie sind in Deutschland, jetzt seien Sie mal gefälligst dankbar!" 
               
              Die Church of Fear will Antworten geben, ohne Lösungen zu bieten. 
              Die Church of Fear will die undichte Stelle finden, das Leck im 
              Schwarzen Loch, durch das das Licht fällt. Sie sind das Kapital 
              - von Heute, Hier und Jetzt! 
            Deutschland braucht Sie! 
             
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             Kirche 
              der Angst vs. Angstpolitik  
             Ein Beitrag 
              von Pater Peter, Church of Fear, Diözese Berlin 
              Die harte Kirche der Angst ist natürlich das postfaschistische 
              Entertainment-Regime Berlusconis, das nur davon lebt, dauernd Ängste 
              auszulösen und zu verstärken  vor den Kommunisten, 
              vor Ausländern, vor dem Wirtschaftsabschwung, vor Kriminalität, 
              vor Globalisierungsgegnern und derzeit besonders gerne: vor der 
              allmächtigen Justiz etc. 
              Genau wie das Bush-Regime ständige Angstproduktion in der Propaganda 
              zum politischen Überleben braucht. Angst produziert dann logisch 
              Gewalt, Kriegsbereitschaft, Sehnsucht nach dem starken beschützenden 
              Führer usw. 
              Und wie die Angst vor der Gefahr die Gefahr erst produziert, so 
              produziert der »Kampf gegen den Terror« logisch neuen 
              Terrorismus, der dann wieder mit neuen Feldzügen bekämpft 
              werden muss. Eine politische Angstmaschine, die immer weiter geht 
              und ihren eigenen Rohstoff (Angst) dauernd selbst produziert, ein 
              Perpetuum mobile. Ohne reale oder inszenierte Bedrohungsszenarien 
              (die berühmte Anthraxhysterie) kollabiert es. 
              Man könnte Berlusconi und Bush vielleicht mit entsprechend 
              paranoiden Zitaten zu Ehrenmitgliedern der CHURCH of FEAR, der Kirche 
              der Angst machen. Und wir bieten ihnen an, sie zu erlösen : 
              »Befrei Dich von Deiner Angst  indem Du sie genießt! 
              Dann musst Du keine armen Länder bombardieren und Demonstranten 
              erschießen lassen! Du musst lernen mit Deiner Angst zu leben! 
              Du kannst das! Foltere Dich selbst gegen Deine Angst! Vertreib die 
              Dämonen aus Deiner Seele, indem Du Deinen Leib geißelst!« 
              Und deshalb wird auch in Venedig ein Pfahl für Berlusconi reserviert. 
              Die CHURCH of FEAR bietet ihm an, ihn zu retten. 
              Die reaktionäre Kirche der Angst ist die Volksgemeinschaft 
              oder die republikanische Partei samt den wiedergeborenen Christen. 
              [»Kirche der Angst vs. Angstpolitik« ist das Typoskript 
              der Predigt, die Pater Peter am 24. Mai 2003 in Gedenken an Simeon 
              Stylites den Jüngeren in Leipzig gehalten hat.]  
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             »In 
              die Hirnrinde geritzt...«  
             Aphorismen zum 
              Angstvollen Denken im 21. Jahrhundert, zusammengetragen 
              von Bruder Christoph, CHURCH of FEAR, Diözese Lüderitz 
              »Angst erschafft Hass, Hass schenkt Kraft !« 
              »Wenn die Amerikaner keine Massenvernichtungswaffen finden, 
              müsste man doch eigentlich welche herstellen, damit diese leidige 
              Diskussion, innerhalb derer unsere Angst erneut missbraucht wird, 
              endlich ein Ende hat.« 
              »Es ist ein Abenteuer, dass jeder zu bestehen hat : dass er 
              lerne, sich recht zu ängstigen.« 
              »Wer Furcht verbreitet, der kann nicht ohne Furcht sein.« 
              »Angst ist die erdabgewandte Seite des Muts.« 
              »Unsere Ängste stellen  wenn wir sie zu nutzen 
              wissen  eine Schatzkammer der Selbsterkenntnis dar.« 
              »Wenn man 10 Lehrjahre dafür benötigt, wie man Saddam 
              Hussein in den Kopf schießt, dann dürfte es bei Tony 
              Blair in maximal 5 Jahren machbar sein.« 
              »Man muss vor nichts im Leben Angst haben, wenn man seine 
              Angst versteht.« 
              »Angst ist eine Energiequelle, für das Überleben 
              unverzichtbar.« 
              »Die größte Angst derer, die uns zu Marionetten 
              der Angst machen : dass alle Stricke reißen.« 
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             Permission 
              to Bleed  
             By Father Karl, 
              CHURCH of FEAR, Vienna 
              We need fear and thank the media for giving us so much of it. Fear 
              first of all makes us unbearable towards ourselves and others. It 
              is a great helper when we are thinking about moving to hell of our 
              own accord. When we are making friends with the possibility of an 
              existence in hell, as Faust demonstrated, because there is not much 
              more we can get out of ourselves, then we briefly become bearable 
              again, to ourselves and others. In this way, we enter the invisible 
              temple of the Church of Fear. We surrender to hell, confused and 
              fearful as we are. Only our fear has the power to deliver us from 
              our fear. The Church of Fear proposes that we should summon up more 
              fear than is to be our due and that we should let the fears tear 
              apart our body, so that its dismemberment can be seen by all and 
              the parts taken up by others. The Church of Fear teaches us how 
              to bring fear back from media fantasies into the body. The body 
              is allowed to act out fear and turn into a body of fear that it 
              has in common with others. Then fear will guide it on its way to 
              the light. That is why the exercise of pole-sitting has been developed 
               seven unemployed people are allowed to conduct the energies 
              conducted into them by the public sphere back into the public sphere. 
              They are allowed to pass on their publicly displayed fear to the 
              lightning conductor which is the Church of Fear. The drunkenness 
              with fear, the typical mental state of our societies, can finally 
              show itself to be the intoxication that has long outstripped the 
              inebriated states brought about by alcohol and other drugs and that 
              has its own, still-to-be-developed rituals and bodily states. Intersubjectivity 
              guarantees effective transfer of energy, the visible ritual, the 
              necessary participation of the public. As with the actionists, especially 
              Hermann Nitsch, there may be a cathartic process. The Church of 
              Fear shows the stigmata of fear to everybody and permits these stigmata 
              to bleed. 
              Yours, Father Karl  
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             »Tagebuch 
              der Angst« 
            von unserem 
              Bruder Sören 
              Es kommt darauf an, meine Bestimmung zu verstehen, zu sehen, was 
              die Gottheit eigentlich will, daß ich tun soll; es gilt, eine 
              Wahrheit zu finden, die Wahrheit für mich ist, die Idee zu 
              finden, für die ich leben und sterben will.... Was nützte 
              es mir, daß die Wahrheit kalt und nackt vor mir stünde, 
              gleichgültig dagegen, ob ich sie anerkennte oder nicht...? 
              Worauf es ankommt, ist nicht die Masse von Erkenntnissen, sondern 
              das innere Handeln des Menschen.... Es kommt mir vor, als hätte 
              ich nicht aus dem Becher der Weisheit getrunken, sondern sei in 
              ihn hineingefallen.... Ich will nun versuchen, den Blick ruhig auf 
              mich selbst zu heften, und will beginnen, innerlich zu handeln; 
              denn nur dadurch werde ich fähig sein, gleich wie das Kind 
              sich bei seiner ersten bewusst vorgenommenen Handlung »ich« 
              nennt, mich in tieferer Bedeutung »ich« zu nennen.... 
              So sei denn das Los geworfen  ich gehe über den Rubikon! 
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             Liebe 
              Freunde! 
             Ich heiße 
              euch herzlich willkommen zu unserer ersten Zusammenkunft in der 
              neuen Gemeinde Bad Kleister. Hätten wir uns euer zahlreiches 
              erscheinen noch vor wenigen Wochen kaum vorstellen können, 
              so sind unsere kleinen Treffen mittlerweile zu einer liebsamen Gewohnheit 
              geworden, und um so mehr freut es mich, nunmehr alle bekannten und 
              viele neue Gesichter zusammen an diesem regnerischen Freitagabend 
              versammelt zu sehen. Die unterschiedlichsten Gespräche und 
              Ansichten über und zu Themen der Angst haben uns in den letzten 
              Wochen beschäftigt und uns gedanklich näher aneinander 
              rücken lassen. Unser erster Congress in Venedig ist vor wenigen 
              Tagen erfolgreich zu ende gegangen, und ich darf auch ganz herzlich 
              eine der teilnehmenden Pfahlsitzer in unserer Runde begrüßen. 
               
              Sie war es, die mir den Impuls gegeben hat, heute näher auf 
              ein Zitat einzugehen, an das wir uns letztens in einem gemeinsamen 
              Gespräch erinnert haben.  
              »...dass diese Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist...« 
              ein Satz von Carl Hegel, der in großen Leuchtbuchstaben bereits 
              schon seit einigen Jahren auf der Kopfseite des Stuttgarter Hauptbahnhofes 
              geschrieben steht. Obwohl ich mit stets sicher war, dass dieser 
              Satz aus seinem sinnhaften Zusammenhang gerissen war, so war ich 
              doch angetan davon, ihn so für sich selbst stehen zu sehen, 
              und empfand ihn als unglaublich tröstlich. Dieser Satz ist 
              mir schon lange vor der Gründung unserer kleinen Gemeinde immer 
              wieder ins Gedächtnis gekommen, und wurde mir zu einem treuen 
              Begleiter. Vor dem Hintergrund unserer Glaubensgemeinschaft jedoch, 
              sah ich ihn plötzlich in einem anderen Licht.  
              Wenn man sich den Satz näher betrachtet, so behandelt er zwei 
              essentielle Themen unserer jetzigen, vergangenen und auch zukünftigen 
              Zeit: zum einen die Furcht, zum anderen den Irrtum. Zusammengefasst 
              die Furcht vor dem Irrtum, vor der Fehlbarkeit, davor seinem Gefühl 
              nicht trauen zu können, zu irren.  
              Diese Furcht ist mir in der Vergangenheit schon mein ganzes Leben 
              mit treuer Zuverlässigkeit begegnet, wann immer mich mein Lebensweg 
              an eine Kreuzung geführt hat. Wann immer es darum ging, eine 
              Entscheidung zu treffen, habe ich sie gespürt. Das Erstaunliche 
              dabei war, dass ich eigentlich nie dass Gefühl hatte, dass 
              dies ein natürliches Gefühl sei, dass sich selbstredend 
              in solchen Situationen einzustellen hat, wie der Regen im April, 
              vielmehr waren es äußerliche Kräfte, die in diesen 
              Momenten auf mich eingewirkt haben, die mich zweifelnd machten, 
              über die Richtigkeit meines Handelns.  
              »Herbert, kein Mensch macht heute mehr eine Umschulung als 
              Schreiner, das Handwerk ist mehr als tot, da geht doch die Wirtschaft 
              auch den Bach runter...«  »Herbert, kein Mensch 
              heiratet heute mehr, weißt du nicht, dass 90% aller Ehen geschieden 
              werden?«  »Herbert, bei der Mietpreisanhebung 
              in den nächsten Jahren wird kein Mensch mehr eine 4-Zimmer-Wohnung 
              bezahlen können, überlege dir das gut...«  
              »findest du wirklich, man sollte heutzutage noch Kinder in 
              die Welt setzten, trotz all den Umweltkatastrophen und der unsicheren 
              wirtschaftlichen Lage? Kannst du dir das überhaupt leisten? 
              Außerdem bist du auch nicht mehr der Jüngste...« 
               »ich würde mir das mit der Selbstständigkeit 
              noch mal gut überlegen, liest du denn eigentlich keine Zeitung?...« 
               »...nach Tunesien im Sommer? Sag` mal habt ihr keinen 
              Fernseher?«  »...bei einem solchen Eingriff wäre 
              ich vorsichtig, du hattest doch schon immer Beschwerden, nie hat´s 
              dich sonderlich gestört, ich habe gehört, so was soll 
              sehr riskant sein, und dazu noch in deinem Alter...?«...  
              (Dem regen ist es doch egal, wie wir ihn nennen, Umweltkatastrophe 
              oder kleiner Schauer.) 
              Ich selbst hatte viele Probleme mit solchen Entscheidungen, viele 
              Sorgen, aber eine »Angst aus Erfahrung« hatte ich nie. 
              Kann man Ängste adoptieren? Ängste anderer als eigene 
              annehmen und empfinden? 
              Angst vor Irrtum oder vielleicht sogar Angst im Allgemeinen setzt 
              sich also immer aus zweierlei Komponenten zusammen, der sogenannt 
              hausgemachten und der von außen einwirkenden Angst. In den 
              letzten Wochen haben wir uns in vielen unterschiedlichen Gesprächen 
              immer wieder auf diesen Konsens geeinigt. Ebenfalls einig waren 
              wir uns darin, dass es in unserer Gemeinde nicht um die von innen 
              heraus kommende, sozusagen um die instinktive Angst, sondern um 
              die »gemachte«, die künstlich produzierte und propagierte 
              Angst gehen soll. In anfangs zitierten Gesprächen mit Freunden 
              und Bekannten ist mir aufgefallen, dass diese, als ihre eigenen 
              Bedenken geäußerten Punkte nahezu nie ohne einen Verweis 
              auf die Öffentlichkeit auskamen, als sei dies geradezu ein 
              Beweis, der die wissenschaftliche Fundiertheit dieser Ängste 
              berechtigen würde, sie zu allgemeiner Annerkennung erhebt. 
              Eine eigene, sich selbst erklärende angst braucht meiner Meinung 
              nach aber keine Zeitungsartikel, keine Boulevard-Magazine, keine 
              Tagesschau. Sie muss sich nicht rechtfertigen. Diese eigenen Ängste 
              möchte ich nicht verlieren, ich möchte sie weiter haben 
              können und ihnen vertrauen können, da sie ehrlich empfunden 
              sind, und nicht erlernt oder aufgedrückt sind. Dazu muss man 
              jedoch vielleicht lernen, sie von anderen unterscheiden zu können. 
               
              Mir fiel auf, dass Befragungen auf den Straßen zum Thema Irak-Krieg, 
              die man in den letzten Wochen so häufig in den Medien vorgesetzt 
              bekam, sich manches mal wie ein Vokabeltest anhörten. Man hatte 
              den Eindruck, die Befragten hatten ihre Antworten gut gelernt, sie 
              schienen zu wissen, welche Ängste man zu äußern 
              habe, wenn jemand mit einer Kamera vor einem steht. Eine oft geäußerte 
              Antwort, vornehmlich in den USA war beispielsweise die Angst, in 
              Oklahomacity von einer irakischen Atombombe getroffen zu werden. 
              Die Häufigkeit mit der diese Antwort auftrat, lässt die 
              Phantasie des Einzelnen im Bezug auf eigene Ängste ausschließen. 
              Ein seltsamer Gedanke ist das, davor Angst zu haben, von einer Atombombe 
              getroffen zu werden... ich setzte dieser, meiner Meinung nach indoktrinierter 
              Angst meine eigene entgegen: ich habe große Angst davor, dabei 
              zusein, wenn andere Menschen von einer Atombombe getroffen werden, 
              eine Angst, die stellvertretend für all meine Ängste steht, 
              einer Situation emotional nicht gewachsen zu sein, überfordert 
              zu sein, durchzudrehen, den Boden unter den Füßen zu 
              verlieren.  
              Öffentlich meinungsbildende Angst misst sich demnach immer 
              nach ihren Auswirkungen, nach ihrem Ergebnis, nicht jedoch nach 
              ihrer Kausalität. Niemand äußerte die Angst, dass 
              dieser Krieg ein simpler Irrtum sein könnte. Viele setzten 
              in unseren Gesprächen ihr Wissen entgegen, ein totaler Irrtum 
              könnte das ja nicht sein, dazu wisse man zuviel. Aber vielleicht 
              sollte man dieses gleiche Wissen auch konstruktiv dazu nutzen, künstlich 
              konstruierte Ängste zu enlarvieren?  
              Jedoch kann man sich der Einflussnahme auf eigene Ängste entziehen? 
              Seit es unsere kleine Gemeinde der Angst gibt, haben wir uns viel 
              damit beschäftigt. Wir waren uns alle darin einig, das dies 
              zwar individuell gelingen kann, aber im ganzen und großen 
              wahrscheinlich unmöglich ist. Vielmehr geht es vielleicht darum, 
              sich nochmals diesen Unterschied bewusst zu machen, und seinen Ängsten 
              gegenüber Verantwortung zu übernehmen. Sie nicht wie ungezogene 
              Kinder in die Besenkammer zu sperren, sondern auch diesen uneingeladenen 
              Gefühle Gastfreundschaft zu gewähren. Folgerichtig nicht 
              Angst als einen übermächtigen Gegner zu sehen, sondern 
              sie als Bestandteil der eigenen Macht anzunehmen und zu nutzen. 
              Vielleicht auch wieder einen Schritt zurückzugehen, und der 
              Angst einen anderen Namen zu geben, wieder viel gelassener auf die 
              »kleinen Stimmen im Bauch« zu hören anstatt zuzulassen, 
              dass sie von den lauten und schillernden Postar-Ängsten in 
              den Medien übertönt werden.  
              Mit der bewussten Reizüberflutung durch neue Ängste wird 
              ein Monopol aufgebaut, dem es entschieden entgegenzutreten gilt. 
              Wir wollen im rahmen unserer Gemeinschaft tapfere Schritte in diese 
              Richtung wagen, und ihr ein bewusstes leben und erleben der Ängste 
              entgegensetzten. 
              Wir werden versuchen, die falschen von den wahren Ängsten unterscheiden 
              zu lernen, und unsere wahren Ängste anzunehmen und sie nicht 
              länger zu verbergen. Unsere Ängste bedeuten kraft! Lassen 
              wir es zu, von unseren Ängsten geliebt und beschützt zu 
              werden! Deine Angst liebt dich! Erweise dich dieser Liebe würdig! 
              Vielen dank für eure Aufmerksamkeit! 
              Euer Bruder Klaus 
              Bad Kleister, 27. Juni 2003 
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             Die 
              Blume der Furcht 
            Skript der Predigt, 
              die Bruder Georg am 27. März 2003 vor Mitgliedern der Gemeinde 
              Berlin gehalten hat. 
               
              Es war einmal eine Lilie. Die stand an einer abseits gelegenen Stelle 
              an einem kleinen rinnenden Wasser und hielt gute Nachbarschaft mit 
              ein paar Nesseln sowie mit einer Anzahl anderer Blümchen da 
              in der Nähe. Die Lilie war nach der wahrhaften Beschreibung 
              des Evangeliums schöner gekleidet als Salomo in all seiner 
              Herrlichkeit, dabei sorglos und froh den lieben langen Tag. Unmerklich 
              und in Glückseligkeit glitt die Zeit dahin, gleich dem rinnenden 
              Wasser, das rieselt und dahinzieht. Aber da traf es sich, dass eines 
              Tages ein Vögelchen kam und die Lilie besuchte. Am nächsten 
              Tag kam es wieder, blieb dann mehrere Tage fort und kehrte sodann 
              wieder. Das dünkte der Lilie seltsam und unerklärlich; 
              sie konnte es nicht fassen, warum der Vogel nicht auf derselben 
              Stelle blieb wie die kleinen Blumen, und es dünkte sie sonderbar, 
              daß der Vogel so launenhaft sein konnte. Wie das nun oft vorkommt, 
              so geschah es auch der Lilie: gerade weil der Vogel so launenhaft 
              war, verliebte sie sich immer mehr in ihn. 
              Dieses Vögelchen war ein schlimmer Vogel; statt sich in die 
              Lage der Lilie zu versetzen, statt sich an ihrer Schönheit 
              zu freuen und sich mit ihr ihrer unschuldiger Glückseligkeit 
              zu erfreuen, wollte er sich dadurch wichtig machen, dass er seine 
              Freiheit fühlte und die Lilie ihre Gebundenheit fühlen 
              ließ. Und nicht nur das -: auch war das Vögelchen redselig, 
              es erzählte von allem möglichen, Wahres und Unwahres; 
              es sprach von weit prächtigeren Lilien, die an anderen Stellen 
              in großer menge stünden und wo eine Freude und Munterkeit, 
              ein Duft, eine Farbenpracht und ein Vogelgezwitscher herrsche, dass 
              es nicht zu sagen sei. So erzählte der Vogel, und jede seiner 
              Erzählungen endete gerne mit der für die Lilie demütigenden 
              Bemerkung, im Vergleich mit solcher Herrlichkeit sehe sie wie ein 
              Nichts aus, ja, sie wäre so unbedeutend, dass es sich überhaupt 
              frage, mit welchem Rechte sie sich eine Lilie nenne. 
              So wurde die Lilie bekümmert, und je mehr sie auf den Vogel 
              hörte, desto mehr wuchs ihre Bekümmernis. Nachts schlief 
              sie nicht mehr ruhig, und morgens wachte sie nicht mehr froh auf. 
              Sie fühlte sich gefangen und gebunden, das Rieseln des Wassers 
              fand sie langweilig, und der tag wurde ihr lang. Nun fing sie an, 
              sich voller Selbstbekümmernis, solange der tag währte, 
              mit sich selber und mit ihren Lebensverhältnissen zu beschäftigen. 
              »Ganz schön mag das ja sein«, sagte sie zu sich 
              selber, »hin und wieder und um der Abwechslung willen auf 
              das Rieseln des Baches zu lauschen. Aber tagein, tagaus immer dasselbe 
              zu hören, das ist doch gar zu langweilig«.  »Es 
              kann angenehm sein«, sagte sie bei sich, »hin und wieder 
              an abgelegener Stelle zu stehen und einsam zu sein; aber so das 
              ganze Leben hindurch vergessen zu sein, ohne Gesellschaft zu sein 
              oder nur durch die Gesellschaft von Brennesseln zu haben, was doch 
              wohl für eine Lilie keine Gesellschaft ist, das ist nicht auszuhalten.« 
               »Und dann«, meinte sie weiter bei sich, "und 
              dann so gering auszusehen und so unbedeutend zu sein, wie es der 
              kleine Vogel von mir behauptet,  ach, warum bin ich nicht 
              an anderer Stelle und unter anderen Lebensbedingungen aufgewachsen?! 
              Ach, warum bin ich keine Kaiserkrone geworden!? Das Vögelchen 
              hatte ihr nämlich erzählt, unter allen Lilien gelte die 
              Kaiserkrone für die schönste und werde von allen Lilien 
              beneidet. Um so mehr kam es der Lilie zu Bewusstsein, wie die Bekümmernis 
              nach ihr griff. Aber dann redete sie sich vernünftig zu,  
              aber doch nicht so vernünftig, dass sie sich die Bekümmernis 
              aus dem Sinn schlug, sondern so, dass sie sich selber davon überzeugte, 
              wie berechtigt ihre Kümmernis sei; denn, so sagte sie, »mein 
              Wunsch ist ja kein unvernünftiger Wunsch. Ich verlange ja nichts 
              Unmögliches, dass ich gar etwas werden möchte, was ich 
              nicht bin, zum Beispiel ein Vogel. Nein,  mein Wunsch ist 
              lediglich der, ich möchte eine prächtige Lilie werden 
              oder doch auch die prächtigste von allen.« 
              Während alledem flog das Vögelchen hin und her, und mit 
              jedem seiner besuche und mit jedem Abschied wuchs die Unruhe der 
              Lilie. Schließlich vertraute sie sich dem Vogel ganz an. Eines 
              Tages kamen sie überein, am nächsten Morgen solle eine 
              Veränderung vor sich gehen, und der Bekümmernis solle 
              ein Ende gemacht werden. Zeitig am nächsten Morgen kam das 
              Vögelchen; mit seinem Schnabel hackte es das Erdreich an der 
              Wurzel der Lilie los so dass sie frei werden konnte. Als das geglückt 
              war, nahm der Vogel die Lilie unter seine Flügel und flog mit 
              ihr von dannen. Es war nämlich verabredet worden, der Vogel 
              solle mit der Lilie dorthin fliegen, wo die prächtigen Lilien 
              blühten; dort solle er ihr dann beim Einpflanzen behilflich 
              sein, um zu erproben, ob es der Lilie nicht durch die Ortsveränderung 
              und die neue Umgebung glücke, in der Gesellschaft der vielen 
              eine prächtige Lilie oder gar eine Kaiserkrone zu werden, die 
              von allen anderen beneidet werde.  
              Ach unterwegs welke die Lilie. Wäre der bekümmerten Lilie 
              genug gewesen, dass sie eine Lilie war, so wäre sie nicht bekümmert 
              geworden. Hätte die Bekümmernis in ihr keine Stätte 
              gefunden, so wäre sie stehen geblieben, wo sie stand,  
              wo sie in all ihrer Schönheit stand. Wäre sie stehen geblieben, 
              wäre sie gerade die Lilie gewesen, von der der Pfarrer am Sonntag 
              sprach, als er das Wort des Evangeliums wiederholte: »Sehet 
              die Lilien: ich sage euch, dass Salomo in all seiner Herrlichkeit 
              nicht gekleidet war wie sie«... 
              Die Lilie ist der Mensch. Das schlimme Vögelchen ist der unruhige 
              Gedanke des Vergleichens... 
              Wenn nun der Mensch an die Bekümmernis der Lilie, die eine 
              Kaiserkrone werden wollte, nicht ohne Lächeln kann, und wenn 
              er sich vergegenwärtigt, dass sie unterwegs verstarb,  
              o, dann bedenke, Mensch, dass es zum weinen wäre, wenn sich 
              ein Mensch ebenso unvernünftig bekümmerte,  ebenso 
              unvernünftig,  doch nein : wie dürfte ich 
              das so stehen lassen und wie dürfte ich ernstlich die göttlich 
              bestellten Lehrmeister beschuldigen,  die Lilien auf dem Felde! 
              Nein,  so bekümmerten sich die Lilien nicht, und gerade 
              deswegen sollten wir von ihnen lernen. 
              Wenn es einem Menschen gleich der Lilie genügt, dass er ein 
              Mensch ist, so wird er nicht krank durch zeitliche Bekümmernis, 
              und wenn er nicht durch zeitliche Dinge bekümmert wird, so 
              bleibt er auf jener Stelle stehen, die ihm angewiesen ist, und wenn 
              er da verharrt, dann ist es fürwahr so, dass er durch sein 
              Menschsein herrlicher ist als Salomos Herrlichkeit. 
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            18% x 1ooom 
              = Angst
            Ein Beitrag 
              von Pater Peter, Church of Fear, Diözese Berlin [»18% 
              x 1ooom = Angst« ist das Typoskript eines Vortrags, den Pater 
              Peter am 10. Juni 2002 vor dem Dekanat der Katholischen Fakultät 
              der Universität Tübingen gehalten hat.]  
            Der 5.Juni muss 
              ein seltsamer Tag im Leben des Christoph Schlingensief gewesen sein. 
              Am Vormittag erfährt die Welt auf einer Pressekonferenz, dass 
              er nächstes Jahr ihn Bayreuth Wagners Parsifal inszenieren 
              wird, dann legt er für die Biennale in Venedig letzte Hand 
              an den Altar für die Church of Fear und kurz darauf fällt 
              in Deutschland Jürgen W. Möllemann vom Himmel. 
            Kunst (Bayreuth), 
              Religion (Church of Fear), Politik (Möllemann), drei Systeme, 
              die an einem einzigen Tag mit dem System Schlingensief kollidieren. 
              Das gespenstische daran ist, dass der Sturz des Politikers wirkt 
              wie die finale Fortsetzung von Schlingensiefs AKTION 18. Der auf 
              Duisburger Bühne geäußerten Aufforderung »Tötet 
              Möllemann« ist nahe Marl nun irgendjemand gefolgt. 
            In der »Berliner 
              Zeitung« bringt Andreas Mielke Aufstieg und Fall des politischen 
              Aktionskünstlers Möllemann lakonisch auf die Formel: »...erst 
              18 Prozent und jetzt 1000 Meter?«; die BILD-Zeitung, wie immer 
              an den fleischlichen Reizen des Geschehens interessiert, liefert 
              das gedruckte Splattermovie: »...Beim ungebremsten Aufprall 
              mit 200 km/h schiebt sich alles im Körper schlagartig auf den 
              tiefsten Punkt. Organe, Blutgefäße, Herz, Hirn, Genick 
              zerstören sich von oben nach unten und zerreißen, die 
              Knochen splittern. Das Bewusstsein, bis zuletzt völlig klar, 
              erlischt nach kurzem, grellem Blitz.«  So genau hat 
              man es eigentlich nicht wissen wollen. 
            Vielleicht hat 
              niemand den politischen Aktionskünstler Möllemann besser 
              verstanden als sein westfälischer Nachbar Schlingensief. Bei 
              einer Aktion vor Möllemanns undurchsichtiger Firma WEB-TEC 
              warf er Fische in den Vorgarten und rief: »Ich verfluche Dich, 
              Jürgen Möllemann! Ich schäme mich für Dich!« 
              Schlingensief verbrannte eine israelische Fahne, um vorzuführen, 
              dass der FDP-Populist Antisemitismus wieder chic gemacht hatte. 
              Der Aktionist agierte also stellvertretend die Abgründe seines 
              Gegenübers aus. Katharsis rockt. Die Erlösung vom Schrecken 
              gelingt nur, indem er unter veränderten Vorzeichen noch ein 
              Mal durchlebt wird, sagen die Trauma-Therapeuten. Was der Performance-Priester 
              veranstaltete, war ein Reinigungsritual. Rührender dürfte 
              die Rettung einer verlorenen Seele selten verbucht worden sein  
              kein Mordaufruf, sondern, mit den Worten des Theaterbeobachters 
              der, eine Abwehrstrategie gegen das Böse. Anschließend 
              hat die Gemeinde gesungen: »Der Blick in das Gesicht eines 
              Menschen, dem geholfen ist, ist der Blick in eine schöne Gegend.« 
              Möllemann wollte sich nicht helfen lassen. Entsprechend unschön 
              war am Ende der Blick in sein Gesicht, oder in das, was davon noch 
              übrig war. Um mit der offiziellen Hymne der CHURCH of FEAR 
              zu schließen: Save our Souls, Save our Souls, Save our Souls, 
              bzw. - - ... - - - . Leider ein Funkspruch, der nur selten erhört 
              wird. 
            Posted at June 
              11, 2003 10:20 AM 
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            ANGST als CHANCE
            Von Bruder Ernst, 
              Karlsruhe 
            Auf die »Ich 
              AG« folgt nun womöglich die »Meine Angst GmbH«. 
              Was übrigens nicht nur rein finanziell gesehen durchaus Sinn 
              macht, schließlich ist Angst längst zu einem Massenphänomen 
              geworden. So leiden allein in Deutschland nach einer Studie der 
              Technischen Universität Dresden und des Max-Planck-Institutes 
              für Psychiatrie in München aus dem Jahre 2001 etwa 2,3 
              Millionen Menschen an krankhafter Angst. Und bei Frauen ist eine 
              so genannte Angststörung sogar die häufigste psychische 
              Erkrankung. 
            Auch der Regisseur, 
              Aktionskünstler und ehemalige Parteiengründer Christoph 
              Schlingensief setzt jetzt voll auf Angst. Genauer gesagt: Er propagiert 
              das Bekenntnis zur Angst und hat zu diesem Zweck eine Church of 
              Fear mit ins Leben gerufen. Diese Kirche der Angst, die inzwischen 
              in Städten wie Berlin, Münster, Zürich oder Paris 
              über 
              eigene Gemeinden verfügt, versteht sich allerdings ausdrücklich 
              als Gemeinschaft von Nicht-Gläubigen oder, wie es in einer 
              Presseerklärung heißt, von Menschen, die sich »von 
              den Glaubensangeboten allgemein anerkannter Sekten in Politik, Wirtschaft, 
              Medien und Kultur distanziert und lossagen will«. 
            Glauben werde 
              dort nämlich am effektivsten produziert, sagt dazu Kirchenvater 
              Schlingensief, »wo nichts dringlicher ist als Unglaube  
              in den Parlamenten, an den Börsen und in den Fernsehstudios«. 
              Ausgangspunkt der Church of Fear sei daher das Angstbekenntnis das 
              Bekenntnis zur eigenen Unvollkommenheit und Verletzlichkeit, aus 
              denen Propagandisten in allen Lagern und Systemen Profit schlagen 
              wollten. 
            Das klingt vielleicht 
               wie immer bei Schlingensief  ein bisschen abgedreht, 
              hat aber durchaus einen wahren Kern. Nicht nur in der vermeintlichen 
              großen Politik wird inzwischen ja wieder religiös verbrämt 
              für Kreuzzüge gegen das Böse geworben, sondern auch 
              im privaten Bereich sind Erfolg und Karriere für viele längst 
              zu einer Art Ersatzreligion geworden, die dann in Kursen gläubig 
              ein- und antrainiert werden. Wer da dann nicht mithalten kann, wird 
              schnell als Loser abgestempelt, oder wer nicht mithalten will, wird 
              gar zum weltfremden Ketzer erklärt. 
            Und ein Ketzer 
              ist halt auch Schlingensief, der nun mit Parolen wie »Du bist 
              Besitzer deiner Angst« oder »Es ist Zeit, sich offensiv 
              zu ängstigen« durch die Lande und die Medien zieht und 
              vom 10. Juni an auf der Kunstbiennale in Venedig mit sieben Freiwilligen 
              ein öffentliches Angstbekenntnis zelebrieren möchte. Auch 
              wenn diese ungewöhnliche Kirchengründung wahrscheinlich 
              letztlich Scheitern wird, legt sie dennoch ziemlich zielgenau den 
              Finger in die Wunde einer von der Angst besessenen Gesellschaft. 
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            Anleitung zum 
              stylitischen Leben
            Ein Beitrag 
              von Dr. Hugo Ball, Church of Fear, München 
               
              1. Die Skala der göttlichen Einwirkung umfaßt alle Fäden des Unterbewußten. 
              Vom mondmilden Einfluß der Suggestion bis zum panischen Lichtschlag, 
              der Paulus zu Boden schmettert; vom gähnenden Widerspruche der Absurdität 
              bis zur greifbaren Fülle des offenen Skandals: Gottes Wort wirkt 
              auf den Narren wie auf den Weisen, auf den Niederen wie auf den 
              Hohen, auf den Armen wie auf den Reichen, unwiderstehlich und überall. 
              Es ist nicht zu verkennen. Doch es gibt Zeiten, die wachen, und 
              solche, die schlafen. Zeiten, die rechnen, und solche, die halluzinieren. 
              Solche, die blind sind, und solche, die sehen. Der Glaube bleibt 
              immer derselbe. Der Glaube ist ewig wie Gott. Symeon der Stylit 
              lebte in alarmierten Zeiten. Gott ist der Glaube an die Menschheit: 
              dies Wort war Fleisch geworden. Dies Wort war mit Nägeln ans Kreuz 
              geschlagen. Die Märtyrerscharen bezeugten es. Die Augen taten sich 
              auf. Die Zeiten erwachten; die Lebenskraft halluzinierte. Die Zeitgenossen 
              des Styliten widerstreben jedem Vergleich mit den unsrigen. Sie 
              erlebten die Suggestion und den panischen Schrecken der Lichtflut. 
              Sie erlebten das "credo quia absurdum" und Gottes Skandal. Sie sahen 
              die Wunder, wie wir unsere Rechenmaschinen; und nicht weil sie andere 
              Augen hatten, nein, weil sie gläubig empfingen.  
               
               
              2. Schon die ersten Schritte des heiligen Symeon tragen des Außerordentlichen 
              Gepräge. Seine Eltern sind Hirten; sie haben auch ihn zum Hirten 
              bestimmt. Ein Schneefall verhindert, daß er die Herde ausführt. 
              Da sucht er die Kirche auf und vernimmt dort die Worte: 
               
              "Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich. 
              Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen. 
              Selig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden."  
               
              Er kann den Sinn nicht verstehen. Er ist dreizehn Jahre alt. Er 
              macht es wie Daniel zu Babel, der sich sein Traumgesicht von den 
              vier Monarchien deuten läßt und da erfährt, daß die Heiligen des 
              Höchsten das Reich einnehmen und ewig besitzen sollen. Er geht zu 
              deren einem, die da stehen, und bittet ihn, ihm genauen Bericht 
              zu geben. Er fragt einen Greis, was da gepredigt werde. Die Verachtung 
              dieses Jahrhunderts werde gepredigt, so antwortet der Alte, und 
              die Enthaltsamkeit.  
               
              "Was ist das, Enthaltsamkeit?", drängt das Hirtenkind. "Interrogo 
              te quasi deum, ich frage dich, als wärst du Gott selbst."  
               
              "Du mußt alles ertragen", sagt der Greis, "alle Schande, alles Unrecht, 
              alle Krankheit, alle Erniedrigung. Und du darfst keinen Trost erwarten. 
              Deine Sorgen müssen dir Speise sein, deine Sehnsüchte Trank. Du 
              mußt verzichten auf alle Vergnügen, die sich dir bieten. Wenn du 
              es kannst, wirst du teilhaben am Reich der unsterblichen Geister. 
              Begreifst du das? Begreifst du es aber, so bitte den Herrn der ewigen 
              Geister um seinen Beistand, daß du den Willen behauptest und Tat 
              werden läßt."  
               
              In überschwenglicher Dankbarkeit wirft sich der Knabe seinem sublimen 
              Lehrer zu Füßen, enteilt, sinkt ein zweites Mal nieder vor einem 
              Märtyrertempel und weint sieben Tage, die Stirne im Boden vergraben, 
              bis er entschläft vor Trauer. Im Traume aber hat er ein Gesicht, 
              das ihm kündet: was er von nun an unternehme, werde die Grenzen 
              der Menschennatur überschreiten. Er sieht sich ein Fundament graben. 
              Ein anderer steht dabei und fordert ihn auf, den Graben tiefer zu 
              legen. Er folgt dem Befehl und beginnt dann auszuruhen. Die Erscheinung 
              aber ruft ihn aus seiner Ruhe auf und befiehlt ihm, tiefer zu graben. 
              Als derselbe Befehl ein drittes und viertes Mal an ihn ergeht, und 
              er wegen der schwindelnden Tiefe des Grabens nicht mehr zu folgen 
              vermag, da erklärt jener, es sei jetzt genug. Nun solle er das Gebäude 
              errichten. Und mahnt ihn, der erschöpft aufhören will, mit den Grundmauern 
              zu beginnen.  
               
               
              3. Die Hand Gottes ist in seinen Intellekt gegraben. Entsetzt und 
              erschreckt begibt er sich in ein Kloster, um dem Geheimnisse nachzuspüren. 
              Flehentlich muß er um Aufnahme bitten, eh sie bewilligt wird. Und 
              doch ist es nicht sein Ziel. Er fängt sich in den Fallen, die Gott 
              seinen Auserwählten stellt. Er gerät in die große Symbolik wie in 
              ein Räderwerk, das ihn zermalmt. Er erlernt den Psalter.  
               
              "Erkennet doch", heißt es im vierten Psalm, "daß der Herr seine 
              Heiligen wunderlich führet; der Herr höret, wenn sie ihn anrufen." 
              Und im zwölften Psalm: "Hilf, Herr, die Heiligen haben abgenommen, 
              und der Gläubigen Häuflein ist klein unter den Menschenkindern." 
              Im zweiundzwanzigsten Psalm aber: "Ich bin ein Wurm und kein Mensch, 
              ein Spott der Leute und Verachtung des Volkes. Alle, die mich sehen, 
              spotten meiner, sperren den Mund auf und schütteln den Kopf. Ich 
              bin ausgeschüttet wie Wasser, alle meine Gebeine haben sich zertrennt; 
              mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes Wachs. Meine Kräfte 
              sind vertrocknet wie ein Scherben, meine Zunge klebt an meinem Gaumen, 
              und du legst mich in des Todes Staub."  
               
              Symeon überbietet alle achtzig Mönche des Klosters, die unter dem 
              Archimandriten Timotheus, einem berühmten Abte, vereinigt sind, 
              in den geistigen Übungen. Fordert die Regel, nur einmal am Tage 
              zu essen, so ißt er nur einmal die Woche und schenkt das Übrige 
              den Armen. Schlafen die anderen, so fällt er wachend in Träume. 
               
               
               
              4. Aus dieser Zeit seines Klosterlebens berichten die Biographen 
              folgende Geschichte: Symeon hat, um seine Natur zu bändigen, das 
              aus Palmblättern geflochtene Brunnenseil entwendet und es mit solcher 
              Kraft sich um die Hüften geschnürt, daß der rauhe Strick die Weichteile 
              durchschneidet und tief ins Fleisch dringt. Die Wunde eitert unter 
              der Kutte; er hält sie geheim. Sie geht in unerträgliche Fäulnis 
              über; es kommt zur Revolte im Kloster. Man stellt dem Abte ein Ultimatum: 
              "Er ist eine Höllenfratze. Er kann leben, ohne zu essen. Er untergräbt 
              die Klostergesetze. Und dann sein Verwesungsgeruch. Er oder wir!" 
              Der Heilige wird vor den Abt gerufen: "Sag' uns, o Mensch, was tust 
              du da? Was täuschest du die Brüder? Was verletzest du die Ordensregel? 
              Und was für ein Höllenspuk bist du? Denn wärst du ein Mensch, aus 
              menschlichem Samen hervorgegangen, sagtest du uns nicht, was deine 
              Art ist und wer sie dich lehrte ?"  
               
              "Schonet mich, Brüder; laßt mich so sterben wie einen räudigen Hund! 
              Lasset mich meine Verbrechen büßen. Ich bin ein Meer aller Sünden." 
               
               
              "Du bist noch nicht zweiundzwanzig Jahre alt", erstaunt sich der 
              Archimandrit, "was hast du denn gesündigt?"  
               
              Und der Heilige: "Sagt nicht David: `Siehe, ich bin von sündigem 
              Samen gezeugt, und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen´?" 
              Er meint den einundfünfzigsten Psalm, der von den Sünden des Zeitalters 
              handelt, von den Sünden vor der Geburt, wenn es dort heißt: "Errette 
              mich von den Blutschulden, Gott, daß meine Zunge deine Gerechtigkeit 
              rühmen kann. Verwirf mich nicht, nimm deinen heiligen Geist nicht 
              von mir." Aber die Mönche verstehen ihn nicht. Er soll gewaltsam 
              entkleidet werden. Kutte, Strick, Fleisch und Eiter sind eine einzige 
              Masse. "Ein zweiter Hiob!", entsetzt sich der Abt. Man muß ihn - 
              o wie lernten wir schmerzhaft dieses Verfahren kennen! - drei Tage 
              in warme Bäder legen, bis sich sein himmlisches Kriegerkleid löst, 
              bis die Ärzte den kaum mehr erkennbaren Strick aus der Wunde ziehen. 
               
               
               
              5. Geheilt und entlassen, stürzt er sich nahe dem Kloster in eine 
              versiegte Zisterne, auf deren Grund es von Kröten, Vipern und Ungeziefer 
              wimmelt, und bleibt dort sieben Tage, ohne jede Nahrung. Er ist 
              in die Sprache Gottes verstrickt, ohne es zu wissen, ohne es zu 
              wollen. Der Brunnen, in den Joseph seine Brüder warfen, ist das 
              Symbol des Grabes Christi. Das Seil, das er sich um die Hüften schlang, 
              ist der Psalter, mit dem man die Wasser der Gnadenquelle schöpft. 
              Timotheus aber, der Archimandrit, bereut, daß er den seltsamen Mönch 
              vor die Türe setzte. Heftige Skrupel plagen ihn. Im Traume erlebt 
              sein Gewissen das Begräbnis des vertriebenen Heiligen. Ein ungeheurer 
              Menschenschwarm umgibt das Kloster. In weißen Kleidern und Fackeln 
              schwingend ruft Stimmengewirr zum Abte hinauf: "Gib uns den Heiligen 
              Gottes heraus, oder wir stecken dein Kloster in Brand! Er ist auserwählt 
              von den Engeln. Was hast du ihn fortgejagt? Warum bist du Abt? Weißt 
              du nicht, daß er größer ist als du, jetzt und beim jüngsten Gericht?" 
              Zitternd richtet der Archimandrit sich im Bette auf. Hastig schickt 
              er die Brüder nach allen vier Windrichtungen, jenen zu suchen und 
              wiederzubringen. Man findet ihn schließlich in der Zisterne, ganz 
              nahe beim Kloster. Man spricht Gebete, denn die Zisterne ist verrufen, 
              und fünf steigen mit Fackeln, am Seile hinunter. Der Heilige sitzt 
              in der Tiefe und lobt Gottes Sterne. Die Ottern, die ihn umgeben, 
              weichen in ihre Löcher zurück vor dem Fackelschein.  
               
              "Ich beschwöre euch, Brüder", fleht Symeon, "verzieht noch ein wenig, 
              bis ich den Geist aufgab. O wie ich leide, daß ich die Gnade dessen 
              noch nicht empfing, zu dem ich mich hier hinunterstürzte." Die Brüder 
              aber packen ihn wie einen Übeltäter und bringen ihn zum Abte, der 
              ihm zu Füßen fällt. Symeon weint und schweigt. In ihm überschlägt 
              sich die Trauer. Wie sollte er sprechen können?  
               
               
              6. Er bleibt drei Jahre; dann geht er heimlich davon. Am Fuße eines 
              Gebirges, unweit Thalampsin in der Landschaft von Antiochia, baut 
              er sich eine Steinhütte und schließt sich drei Jahre lang darin 
              ein. Mit Moses und Elias nimmt er den Wettstreit auf, indem er beschließt, 
              die vierzig Tage der Fasten ohne jegliche Nahrung zu verbringen. 
              Kein Wort dieses Buches wird man so eifrig für eine Hyperbel halten 
              wie dieses. Und doch ist es keine. Auf die Abschaffung der Bedürfnisse 
              ist alle Übung der Heiligen gerichtet. Die Abschaffung der Bedürfnisse 
              ist ihre Antwort auf die Probleme der Zeit, der sie angehören. Und 
              es geht nicht einmal an, sie darum als Sportsleute aufzufassen oder 
              vom Standpunkte des Hungerkünstlers aus zu betrachten. Denn dann 
              müßte man sie billigerweise Sportsleute des Verzichts und der erprobtesten 
              Fronde nennen und hinzufügen, daß diese verzweifelten Liebhaber 
              der Ideen, diese entschlossenen Lebenshungerkünstler, von den Rekordschlägern 
              der Rennbahn und des Panoptikums sich darin unterscheiden, daß sie 
              mit der Abschaffung der Bedürfnisse die Läuterung der Gemütskräfte 
              erstreben.  
               
              Die Vierzig ist eine heilige Zahl. Sie bezeichnet die Grenze des 
              Menschenmöglichen. Wer sie überschreitet, riskiert den Tod. Vierzig 
              Jahre hielt das Volk Israel sich in der Wüste auf. Vierzig Tage 
              und vierzig Nächte währte die Sintflut. Den vierzigtägigen Fasten 
              des Heiligen entsprechen vierzig Tage einer vollkommenen, physiologischen 
              Auflösung seines Denkens. Zu Symeon, der sich zu fasten anschickt, 
              tritt Bassus, der Priester aus Antiochia, der die Gegend bereist, 
              um die Eucharistie zu spenden. Bassus warnt seinen Diözesanen, die 
              Vorsehung nicht zu versuchen. Symeon antwortet ihm: "Setze mir, 
              gütiger Vater, zehn Brote und ein Gefäß Wasser in meine Zelle, damit 
              ich mich dessen bedienen kann, wenn es nötig sein sollte." Die Tür 
              wird vermauert; nach vierzig Tagen wird sie geöffnet. Symeon liegt 
              auf dem Boden, in tiefer Ohnmacht. Die Brote, das Wasser sind unberührt. 
              Man benetzt ihm die Zunge, man reicht ihm die Eucharistie: er belebt 
              sich, er ißt. Von nun an feiert er diese Fasten: die ersten zehn 
              Tage lobt er Gott, stehend auf seinen Füßen. Dann setzt er sich 
              zum Gebet. Die letzten zehn Tage genießt er den Tod, lang ausgestreckt 
              auf die Erde.  
               
               
              7. Nachdem er die Tiefe ermessen hat, verlangt es ihn nach der Höhe. 
              Sein Leben ist ihm gezeichnet im Psalter. Nicht nur die Notdurft 
              des Körpers soll er verwinden und in der Ohnmacht den Tod berühren; 
              es ist ihm bestimmt, ein lebendiges Monument der Verwesung zu werden. 
               
               
              "Ich habe gesagt zu dem Herrn: Du bist ja der Herr, ich muß um deinetwillen 
              leiden. Für die Heiligen, die auf Erden sind, und für die Verklärten; 
              an denen habe ich all mein Gefallen." (16. Psalm.)  
               
              "Die Erde ist des Herrn, und was darinnen ist; der Erdboden, und 
              was darauf wohnt. Wer wird auf des Herrn Berg gehen? Und wer wird 
              stehen an seiner heiligen Stätte?" (24. Psalm.) 
               
              Symeon steigt auf den Gipfel des Berges, an dessen Fuß seine Hütte 
              lag. Aus Steinen baut er sich dort eine Hürde. In das Geheimnis 
              der Masse, in die Bedingungen der Herde versenkt er sich. Er lebt 
              ohne Dach, allem Unrecht der Witterung ausgesetzt. Er untersagt 
              sich das Gehen. Indem er an seinen Fuß eine Eisenkette von nur zwanzig 
              Ellen Spielraum legt und die Kette an einen Steinhaufen befestigt, 
              fesselt er sich an den dürftigsten Fleck, gibt er sich freiwillig 
              gefangen. "Du bist in die Hohe gefahren", heißt es im dreiundsechzigsten 
              Psalm, "und hast das Gefängnis gefangen. Du hast Gaben empfangen 
              für die Menschen, auch für die Abtrünnigen, daß Gott, der Herr, 
              dennoch daselbst bleiben wird." Menschen strömen zu Hauf, ihn zu 
              sehen. Milezius, der Vikar des Patriarchen, besucht ihn: die Kette 
              bedeute noch Unfreiheit. Sein auf das Gute gerichteter Wille allein 
              müsse ihn fesseln. Da legt er die Kette ab. Man schleppt Kranke 
              hinauf auf den Berg. Ganze Städte und Landschaften setzen sich in 
              Bewegung, sein Wort zu vernehmen. Da türmt er den Steinhaufen, daran 
              seine Kette befestigt war, höher, sechs Ellen hoch, und besteigt 
              ihn als Säule. Um im Gebet nicht gestört zu werden, tut er den letzten 
              Schritt:  
               
              "Bringet her, ihr Völker, bringet her dem Herrn Ehre und Macht. 
               
              Aller Heiden Götter sind Götzen; der Herr aber hat den Himmel gemacht." 
               
               
              8. Und sie kommen, die Völker. Könige unter die Bettler gemischt. 
              Die Säule wächst. Das Volk türmt sie höher. Erst zwölf Ellen, dann 
              zwanzig, dann dreißig, dann vierzig Ellen. Einsam und immer unnahbarer 
              ragt der Heilige des Herrn. Abgeschlossen durch eine doppelte Mauer, 
              mit der man ihn gürtet. Er hat sich kaum selbst erhoben. Man hat 
              ihn in Nebel und Nacht gestellt, in Sonne und Sturm, in Sterne und 
              Regen, in Hagel und Blitz.  
               
              Er steht auf den Stab gelehnt, vierzig Jahre, und starrt in den 
              Tag. Seine brüchigen Hände segnen der Sonne Aufgang und Niedergang. 
              Sein weinender Mund kündet den Willen dessen, "der Adam kannte, 
              eh er geboren; den Führer der Irrenden, Lenker der Cherubim; der 
              Joseph führte gleich einem Lämmlein; der David die Grazie schenkte 
              prophetischer Sprache ; der Lazarus nach vier Tagen vom Tode erweckt"; 
              dessen Tiefe und Ruhe der schlafende Ozean nicht ermißt. Um den 
              Sockel der Säule aber brandet das Meer der Gebrechen; das Tränenmeer, 
              dessen Springquell der Seher ist; branden die Aufregung und das 
              Fieber der Welt. Phönizier, Perser und Inder, Römer und Äthiopier, 
              Britannen und Gallier, Skythen sogar und Nomaden kommen und rufen 
              ihn an um Heilung und Benediktion.5 In den Hauptstädten des Römerreiches 
              ist sein Bildnis verbreitet; es erinnert an die Büsten des Äschylus 
              und des Homer. Wer sich in des Styliten Augen versenkt, vergißt 
              Feindschaft und Haß. Um seinen Berg gelagert, schließen die Völker 
              Bündnisse ab. Er schläft nie, er ißt nie. Er spricht auch nicht 
              viel. Er betet von Sonnenuntergang bis zur Non. Dann heilt er Lahme 
              und Taube, Stumme und Blinde. Mit der sinkenden Sonne versinkt auch 
              er wieder, in seine Gebete, nicht in den Schlaf; denn seine Säule, 
              so hoch, daß sie im Sturme schwankt, hat nur drei Ellen im Durchmaß. 
              Er ist der beständige Wachtraum, die Wunderuhr Gottes. Der Erdball 
              pilgert zu ihm.  
            Posted at July 
              28, 2003 16:17 AM 
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